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Beginen

Der Begriff Beg(h)inen ist etwa seit dem frühen 13. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung für Frauen, die in frommer, religiöser Gemeinschaft zusammen wohnten, beteten und arbeiteten, ohne sich jedoch durch klösterliches Gelübde lebenslang zu binden oder nach bestimmten klösterlichen Regeln zu leben.

Wenn der Unterhalt nicht durch eigene finanzielle Mittel teilweise oder ganz gesichert war, betrieben viele Beginen diverse Handwerke wie z. B. im Textilbereich. Außerdem gingen sie meist karitativen Tätigkeiten nach, kümmerten sich um Kranke, versorgten Pilger und beteten für das Seelenheil Verstorbener. Manche Beginengemeinschaften verzichteten teilweise auf jeden Wohlstand und ernährten sich überwiegend durch Bettel. Auch einzeln lebende oder vagabundierende Beginen sind nachgewiesen.

Aus diesen unterschiedlichen Ausrichtungen wird deutlich, dass das Erscheinungsbild der Beginen keineswegs einheitlich war und sich lokal zum Teil stark unterschied.

Im Spätmittelalter waren die Beginen und ihr männliches Pendant, die Begarden, oft Verfolgungen ausgesetzt, da sie durch ihren teils unklaren Stand innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft häufig häretischen Bewegungen zugeordnet wurden (Häresie = Abspaltung von den anerkannten Lehren der katholischen Kirche; Ketzerei). Das führte u. a. später oft dazu, dass sich die Frauengemeinschaften in reguläre Klöster umformten und Ordensregeln annahmen oder in bestehenden Frauenklöstern Aufnahme fanden.

Nachgewiesen sind Beginen nördlich der Alpen aber nicht nur in Mittel-, Süd- und Südwestdeutschland, sondern auch im flämisch-niederländischen Raum, in Schlesien, Polen sowie in Böhmen. Südlich der Alpen in Nordfrankreich, in der Provence wie auch in Italien.

Reformation und Gegenreformation brachten nochmals eine Belebung ins Beginenwesen.
Bis heute existieren (wieder) Frauengemeinschaften und Konvente, die sich an den Lebensarten der mittelalterlichen oder neuzeitlichen Beginen orientieren.

„Beginen“ in Kempten

In Kempten ist der Begriff „Begine“ im Mittelalter nicht gebräuchlich. In den Quellen werden Kemptener Frauen, die in religiösen Gemeinschaften lebten, meist als Schwestern (swestran) oder Töchter (tochtran), später als Nonnen bezeichnet. Vom frühen 14. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts gab es in der Reichsstadt Kempten diverse Schwesterngemeinschaften. Verfolgungen oder Vertreibungen dieser „Beginen“ sind für Kempten nicht belegt. Im Gegenteil, sie wurden als wichtige Stütze im Sozialleben und der Jenseitsfürsorge angesehen und mit Spenden unterstützt.

Auch die im Beginenhaus und Nonnenturm ansässige Schwesterngemeinschaft kümmerte sich höchstwahrscheinlich um die Versorgung einer größeren Anzahl von Leuten wie z. B. Pilgern. Anders wäre die im Nonnenturm zum Teil erhaltene Großküche nicht zu erklären.

Wie lange die Frauen in diesen, im Mittelalter als Schwesternhaus „zu der Stiege“ bezeichneten Gebäude insgesamt lebten, wieviele es waren oder womit sie ihren Unterhalt bestritten, wissen wir leider nicht. Nicht lange nach 1500 ging es in den Besitz wohlhabender Bürgerfamilien über.

Um diese Zeit erwarben die Kemptener Schwestern Grundstücke für den Bau des St. Anna-Klosters am Neustätter Tor im Freudental, dessen Kirche 1508 geweiht wurde und schlossen sich der Dritten Regel des Franziskaner-Ordens an. Hier blieben sie bis zu ihrer Vertreibung 1537.

 

Literaturempfehlungen

Karrieren hinter Klostermauern. Nonnen und Stiftsdamen im Mittelalter. DAMALS 03/2005

Hofmann, Gertrud u. Krebber, Werner: Die Beginen. Geschichte und Gegenwart. 2004. ISBN 3-7867-8530-9. EUR 7,90.

Kata, Birgit: Schwesternhäuser im spätmittelalterlichen Kempten. In: Allgäuer Geschichtsfreund 102 (2002), 117-140 [PDF]

Reichstein, Frank-Michael: Das Beginenwesen in Deutschland. Studien und Katalog. (Wissenschaftliche Schriftenreihe Geschichte Bd. 9 ) Berlin 2001. ISBN 3-89574-427-1. EUR 42,80.

Fößel, Amalie u. Hettinger, Anette: Klosterfrauen, Beginen, Ketzerinnen. Religiöse Lebensformen von Frauen im Mittelalter. (Historisches Seminar – Neue Folge; 12) Idstein 2000. ISBN 3-8248-0032-2. EUR 18,30.

Lexikon des Mittelalters, Bd. I, Artikel „Beg(h)inen“ (Sp. 1799-1803) und „Beg(h)arden“, (Sp. 1798)

September 2020
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